119
pages
German, Middle High (ca.1050-1500)
Ebooks
2012
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Publié par
Date de parution
16 décembre 2012
Nombre de lectures
0
EAN13
9783859901919
Langue
German, Middle High (ca.1050-1500)
Publié par
Date de parution
16 décembre 2012
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EAN13
9783859901919
Langue
German, Middle High (ca.1050-1500)
Daniel Suter Die ägyptische Tochter edition 8
Im Andenken an den Verleger Alex Böckli (1941–2011), der diesen Roman begleitet hat.
D. S.
Daniel Suter
Die ägyptische Tochter
Roman
Verlag und Autor danken dem Präsidialdepartement der Stadt Zürich für den finanziellen Beitrag an dieses Buch.
Besuchen Sie uns im Internet: Informationen zu unseren Büchern und Autorinnen sowie Rezensionen und Veranstaltungshinweise finden Sie unter www.edition8.ch )
Bibliografische Informationen der Deutschen National-Bibliothek sind im Internet abrufbar unter http://dnb.ddb.de .)
September 2012, 1. Auflage, © bei edition 8. Alle Rechte, einschliesslich der Rechte der öffentlichen Lesung, vorbehalten. Lektorat: Verena Stettler; Korrektorat: Max Trossmann; Typografie, Umschlag: Heinz Scheidegger; E-Book: mbassador GmbH, Luzern
Verlagsadresse: edition 8, Postfach 3522, CH-8021 Zürich, Telefon +41/(0)44 271 80 22, Fax +41/(0)44 273 03 02, info@edition8.ch )
ISBN 978-3-85990-191-9
1
Es wird Zeit. Vor Bannwarts Fenster sinken die Hochschulen ins Dunkel ihres Hügels. Links die ETH, rechts die Universität. Giganten waren das einmal. Auf alten Fotos thront das Polytechnikum über der Stadt, eine urbane Zitadelle mitten in den Rebbergen saurer Landweinsorten. Später dehnte sich die Stadt aus, stieg ihren Ausfallstrassen entlang den Hang hinauf und nahm dem Bau die aristokratische Distanz. Umstellt und gefesselt wie Gulliver, verlor er seine Aura des Einzigartigen. Heute braucht es den Blick des Stadtplaners, um zu erkennen, welch ein Wurf das war vor hundertfünfzig Jahren. Dieser Wagemut, dieser Zukunftsglaube, ein viel zu grosses Bauwerk hinzustellen und darauf zu vertrauen, dass es sich mit Leben und Arbeit füllen werde. Etwas von diesem Gründergeist wäre der Stadt auch heute zu wünschen. Ein Aufbruch, eine neue Idee, eine neue Hoffnung. Metropolis Media Center? Vielleicht. Bannwart packt das Dossier in seine Aktentasche. Ein digitales Hollywood, nichts weniger, versprechen die Investoren. Aber interessant ist der Komplex, auch architektonisch. Und gross. Ungewohnt gross für diese Stadt.
Bannwart geht nicht gerne ins Rathaus. Darum geht er zu früh. Er will auf der Besuchertribüne sein, bevor die Parlamentarier kommen. Er steht schon unter der Tür, als sein Telefon schellt. Kurz zögert er, dann siegt die Pflicht. Unwillig macht er vier grosse Schritte zum Pult zurück, sieht auf das Display und nimmt nicht ab. Die Chefin. Er ist schon weg.
Jedes Mal, wenn das Stadtparlament ein grösseres Bauprojekt behandelt, muss er im Rathaus sein. Die Chefin wünscht es. Sie will ihn auf der Tribüne sehen, zur Absicherung, sagt sie, falls in der Debatte eine Frage auftaucht, die sie nicht beantworten kann. Bisher hat sie ihn noch nie gebraucht, und sie wird es auch an diesem Abend nicht. Sie ist Politikerin und hat auf alle Fragen eine Antwort. Ausserdem geht es heute gar nicht um Details. Die hat Bannwart mit der Baukommission des Gemeinderats schon vor einem Monat in drei Sitzungen durchgearbeitet. Die Meinungen der Fraktionen zum Metropolis Media Center sind gemacht, und wenn heute das Plenum über den Gestaltungsplan und den Verkauf eines kleinen Landstreifens entscheidet, hängen Länge und Leidenschaft der Debatte mehr von der Stimmung im Saal ab als von den Einzelheiten des Projekts. Bloss lässt sich schwer vorhersagen, ob es an diesem Abend wirklich zur Debatte und zur Abstimmung kommt. Wenn es der Teufel will, bleiben die Gemeinderäte an einem der vorangehenden Tagungspunkte kleben und reden so lange hin und her, bis um acht Uhr der Ratspräsident die Sitzung schliesst und das Geschäft, für das Bannwart gekommen ist, vertagt wird. In seinen elf Jahren als Direktor des Amtes für Städtebau hat Robert Bannwart schon manche Stunde auf der Ratstribüne verloren.
Er schliesst sein Büro ab. Den Lift nimmt er nie, er liebt Treppen, rast sie hinunter, im Flug, hart an der Grenze zum Absturz, das ist sein Tempo, sein Rhythmus, sein Trommelwirbel der Absätze.
Von unten kommen Finanzchef Derungs und Assistentin Roskovic, auf der gleichen Stufe und im gleichen Trott wie ein Gespann. Ganz in ihr Gespräch vertieft, weichen sie zur Seite und blicken erst auf, als Bannwart mit einem raschen Gruss an ihnen vorbeirattert.
»Robert! Zu dir wollen wir«, ruft Derungs.
»Die Markthalle«, sagt Milena, »der Wettbewerb –«
Bannwart winkt ab. »Morgen, morgen … ich muss – Metropolis im Gemeinderat.«
»Heute schon? Viel Glück«, ruft Derungs ihm nach.
»Danke, sollte klappen. Die Zeichen stehen gut.« Und schon ist er um den Pfeiler.
Er tritt aus dem Amtshaus IV und schlägt den Kragen hoch. Die Novemberbise treibt ihm winzige Nebeltröpfchen ins Gesicht. Wismar nennt Carola dieses Wetter. Zum Rathaus sind es nur ein paar Minuten und zwei Wege. Der kürzere führt durch die Altstadt, der wenig längere dem Fluss entlang. Bannwart geht über die Brücke. Der Wind fährt ihm in den Mantel und lässt die Hand um den Griff der Mappe erstarren.
Eine Brücke stromaufwärts steht das Rathaus mit den Füssen im Wasser. Das Privileg der Obrigkeit, ihre Bauten in den Fluss zu setzen. Trotzdem nur Mittelmass. Laut darf man das nicht sagen, Bannwart in seiner Stellung schon gar nicht. Aber das Rathaus war schon altmodisch, als sie es 1694 zu bauen begannen. Nicht von einem Architekten entworfen, sondern von einer Kommission zusammengestückelt, drei Geschosse Renaissance, ein Walmdach als Haube und Barockschnörkel zur Dekoration. Die Zürcher haben ihm über drei Jahrhunderte hinweg die Treue gehalten und es auch dann nicht abgerissen, als die Stadt aus dem Schlaf des Mittelalters erwachte und die Modernisten mit den Stadtmauern gleich die ganze Altstadt schleifen wollten. Das Rathaus ist geblieben und dient jede Woche seinen zwei Parlamenten, am Montagmorgen dem Kantonsrat und am Mittwoch zur Feierabendzeit dem Gemeinderat der Stadt.
Bannwart stösst das schwere Portal auf. In der Eingangshalle stehen zwei Ratsdiener hinter einem Absperrband mit dem Schild »Parlamentarier/innen«. Bannwart grüsst, obwohl er sie nicht kennt, und sie nicken kurz zurück. Ein zweites Schild weist die Besucher nach rechts zu einem Metallrahmen, an dessen Querbalken ein Verbotsschild klebt, ein durchgestrichenes Herz. Dort blicken zwei Polizisten, ein Mann und eine Frau, ihm schon entgegen. Er ist der Einzige in der Halle.
Oder doch bei den Ratsdienern vorbei? Auf umständliche Erklärungen hat er keine Lust.
Bannwart stellt die schwarze Mappe auf den Holztisch der Polizei.
»Nur Papier. Aber alles hochgeheim.«
»Ich lese Ihre Sachen schon nicht«, sagt die Polizistin, ohne ihn anzuschauen. Sie zieht die Mappe näher, öffnet den Verschluss und fährt mit flinken Fingern durch die Akten.
Vielleicht ein bisschen älter als Nora, noch keine dreissig. Aber Schlagstock links und Pistole rechts am breiten Gürtel.
»Ist okay«, sagt sie zu ihrem Kollegen an der Metallschleuse.
Bannwart geht durch den Rahmen. Ein langer Pfeifton.
»Schlüsselbund? Telefon?«
Bannwart legt beides auf den Tisch. Alter Küchentisch. Passt weder ins Rathaus noch zur Polizei.
Wieder das Pfeifen, richtungslos und nicht besonders laut, doch durchdringt es alles.
Ärgerlich klopft Bannwart seinen Mantel ab und findet die kleine Minox.
»Sie dürfen im Rathaus nicht fotografieren«, sagt der Polizist.
»Das habe ich auch nicht vor.«
»Warum haben Sie dann die Kamera bei sich?«
»Weil ich sie brauche, beruflich. Wie Sie Ihre Pistole.«
»Aber hier dürfen Sie keine Fotos machen. Dafür braucht es eine Bewilligung.«
»Herrgott, ich brauche keine Bewilligung, weil ich hier gar nicht fotografiere!«
»Dann bleibt die Kamera bei uns. Bitte lassen Sie den Herrn vorbei.«
Der Polizist fasst ihn am Ärmel. Mit einem Ruck reisst Bannwart den Arm an sich, macht aber den verlangten Schritt zur Seite. Hinter ihm wartet ein weisshaariger dünner Mann.
»Bei mir pfeift es auch immer«, sagt er vergnügt zum Polizisten und klopft sich auf die Hüfte. »Stahlgelenk.«
Der Polizist fährt mit einem Detektorstab seinem Körper entlang, an der rechten Hüfte gibt das Gerät Laut, der Alte strahlt, der Polizist nickt ernst und lässt ihn durch. Auf der Treppe zum grossen Saal steigen schon die ersten Herren und Damen des Gemeinderats gemächlich hoch. Hin und wieder grüsst einer der Parlamentarier nach unten zur Polizei, als bedanke er sich.
»Jetzt Sie.« Mit dem Stab winkt der Polizist Bannwart zu sich heran.
Bannwart schwitzt, am ganzen Körper prickelt es. Er hätte es einfacher haben können, nur den Ratsdienern seinen Ausweis zeigen und das Dossier Metropolis, die hätten ihn passieren lassen, auch wenn sie ihn nicht kennen, im Gegensatz zu ihrem älteren Kollegen, dessen Namen er nie behalten kann. Jetzt muss er die Arme heben, als ergebe er sich, er spürt, wie er schwankt, ein leiser Schwindel, das Zittern in den Beinen wie damals, als sie ihn verhafteten.
»Herr Bannwart!«, ruft eine helle Stimme von hinten. »Schön, dass Sie schon da sind.«
Die Chefin. Er nimmt die Arme runter und dreht sich um. Stadträtin Marlen Zollinger steht bei den Ratsdienern, die Arme in die Hüften gestemmt.
»Das ist mein wichtigster Mann, ich brauche ihn«, ruft sie dem Polizist zu, der sofort von Bannwart ablässt und sich dem nächsten Besucher zuwendet. Es hat eine kleine Stockung gegeben, drei Leute warten und mustern Bannwart, als fragten sie sich, ob sie ihn kennen müssten. Am Tisch steckt er den Schlüsselbund und das Telefon ein und nimmt die Aktentasche. Die Polizistin schaut ihn nicht an.
»Meine Kamera.«
Wortlos schiebt die Polizistin sie über den Tisch.
»Danke.«
Die Stadträtin ist nicht allein gekommen. Manz, der Bauherr des Metropolis Media Centers, steht neben ihr und streckt Bannwart die Hand entgegen. »Herr Direktor Bannwart –« Bannwarts Rücken versteift sich, als Manz sich vor ihm verbeugt, seine Hand nimmt und kaum merklich drückt, um sie dann wie ein Tänzer nach rechts zu führen. »Darf ich vorstellen – Herr Dr. Wilk, das ist Herr Direktor Bannwart, Chef des Amtes für Städtebau. Unsere wichti